Risiko für Unter- oder Überversorgung senken

Richtig behandelt

Die Kommunikation mit dem Arzt ist wichtig. Durch ein offenes Arztgespräch kann vermieden werden, dass der Patient verschriebene Medikamente nicht einnimmt oder eine überflüssige Behandlung erhält.

In Kürze
Wichtige Details
Bewusst oder unbewusst verschweigen Patienten wichtige Details im Arztgespräch, was die Diagnose erschwert. Oder sie trauen sich nicht, Fragen zur Diagnose oder Behandlung zu stellen.
Missverständnisse
Missverständnisse zwischen Arzt und Patient können zu einer medizinischen Unter- oder Überversorgung führen.
Falschbehandlung vorbeugen
Wer sich auf den Arztbesuch vorbereitet und den Dialog mit dem Arzt sucht, beugt einer Unter- oder Überversorgung vor.
Bei einem Schlaganfall gilt: Je schneller die Behandlung beginnt, desto besser.
Klare Kommunikation hilft
Bei einem Schlaganfall gilt: Je schneller die Behandlung beginnt, desto besser.
Viele Menschen trauen sich nicht, beim Arztbesuch Fragen zu stellen oder intime Probleme anzusprechen. Am Ende steht ein verunsicherter Patient, der beispielsweise verschriebene Medikamente nicht einnimmt oder eine überflüssige Behandlung erhält. So senken Sie Ihr Risiko für eine Unter- oder Überversorgung.
Verheimlichen oder vergessen

Scham kann dazu verleiten, dem Arzt Symptome zu verheimlichen. So werden Schmerzen im Genitalbereich als Unterbauchschmerzen umschrieben. Oder besonders peinliche Symptome und misslungene Selbstbehandlungsversuche ganz verschwiegen. Manche Patienten lassen auch vorhandene Diagnosen unter den Tisch fallen, wenn sie eine Zweitmeinung einholen. Dies kann dazu führen, dass der Arzt einen höheren diagnostischen Aufwand betreiben muss.

Nicht selten treibt der Arztbesuch Puls und Blutdruck hoch. In der Aufregung versäumen selbst eloquente Patienten, die Fragen des Arztes präzise zu beantworten. Oder sie vergessen, Fragen zu stellen und ihre Ängste auszusprechen, beispielsweise: Welches Ziel hat die Untersuchung? Ist sie schmerzhaft? Falls ja, gibt es eine Alternative?

Ihr Arzt muss Sie informieren. Zögern Sie nicht zu fragen: Ärzte sind rechtlich verpflichtet, ihre Patienten umfassend aufzuklären und zu informieren, was Diagnose und Behandlung betrifft.

Wichtig: nachfragen

Diagnose und Behandlungsplan bergen reichlich Potenzial für Missverständnisse, die am Ende zu einer Unter- oder Überversorgung führen können.

Insbesondere schüchterne oder geschwächte Patienten wagen häufig nicht nachzufragen, wenn sie die Diagnose oder den Behandlungsplan nicht ganz verstehen. Dies erhöht das Risiko, dass der Betroffene verschriebene Medikamente vorzeitig absetzt oder gar nicht einnimmt.

Überdiagnostik kann verunsichern

Bei Kreuzschmerzen ohne Begleiterscheinung (z. B. Kraftverlust oder Lähmung in Arm/Bein) handelt es sich in 85–90 % der Fälle um den sogenannten nicht-spezifischen Rückenschmerz. Röntgen-, CT- oder MRT-Untersuchungen liefern in diesen Fällen keine Schmerzursache. Altersentsprechende Veränderungen an der Wirbelsäule finden sich auch bei Menschen ohne Beschwerden.

Die sogenannte Überdiagnostik kann den Patienten verunsichern oder sogar ängstigen, wodurch die Rückenschmerzen eher anhalten als abklingen.

Drängen Sie daher Ihren behandelnden Arzt nicht zu einer radiologischen Untersuchung. Falls Ihr behandelnder Arzt Sie bei nicht-spezifischen Kreuzschmerzen radiologisch untersuchen will, fragen Sie nach, ob dies unbedingt nötig ist.

Ihre medizinischen Unterlagen: Auf Wunsch muss der Arzt Ihnen Ihre medizinischen Unterlagen zeigen und Ihnen Kopien mitgeben.

Unnötige Antibiotika können schaden

Auf der anderen Seite gibt es auch übermotivierte Patienten, die beispielsweise bei Husten oder Schnupfen grundsätzlich nach einem Antibiotikum verlangen. Da Atemwegsinfekte meist von Viren verursacht werden, sind Antibiotika in solchen Fällen wirkungslos.

Außerdem können Antibiotika zusätzliche Beschwerden verursachen. So erleidet etwa jeder zehnte Erkältungspatient bei Antibiotika-Einnahme Nebenwirkungen wie Durchfall oder Übelkeit.

Seit Jahren ist es zudem Konsens, gegen harmlose Krankheiten keine Antibiotika einzusetzen: Schließlich können die eigenen Darmbakterien Resistenzen entwickeln, die sie womöglich zu einem späteren Zeitpunkt auf gefährliche Bakterien übertragen. So züchtet und verbreitet übermäßiger Antibiotika-Einsatz resistente Erreger und macht einst wirksame Antibiotika wirkungslos.

Ein weiteres Beispiel für eine häufig vorkommende Überversorgung ist der längerfristige Einsatz von Säureblockern (Protonenpumpen-Inhibitoren) bei Reizmagen (nicht-ulzeröse Dyspepsie). Hier besteht die Gefahr, dass der Magen nach der Behandlung vorübergehend zu viel Säure produziert. Da der Patient Sodbrennen entwickelt, bekommt er weiter Säureblocker.

Dies kann zu einer Dauerbehandlung ausarten – mit langfristigen Gesundheitsrisiken: Der erhöhte pH-Wert in Magen und Dünndarm führt zu einer verringerten Aufnahme von Vitamin B12, Vitamin D und Kalzium. Ein Mangel an Vitamin D und Kalzium erhöht jedoch das Knochenbruchrisiko im Alter. Zudem diskutieren Mediziner erhöhte Risiken für Nierenversagen, Herzinfarkt und Demenz.

Eine Langzeitbehandlung mit Säureblocker (PPI) ist nur bei wenigen Erkrankungen notwendig, z. B. bei Barrett-Ösophagus oder Refluxkrankheit.

Schneller die richtige Hilfe bekommen
Folgende Tipps helfen Ihnen und Ihrem Arzt dabei, Ihr Leiden schneller zu diagnostizieren und die für Sie notwendige Behandlung zu finden:
  • Bereiten Sie sich auf den Arzttermin vor: Wie lange fühle ich mich krank? Welche Beschwerden habe ich und mit welcher Häufigkeit und Schwere treten sie auf? Unter welchen Begleitumständen traten die Beschwerden zuerst auf, z. B. kurz nach dem Fitnesstraining oder nach einer Fernreise?
  • Schreiben Sie sich wichtige Fragen vor dem Arztgespräch auf. Zum Beispiel: „Was passiert bei der Untersuchung, ist das schmerzhaft?“ oder „Wie aussichtsreich ist die vorgeschlagene Behandlung, und welche Alternativen gibt es dazu?“.
  • Falls Sie beim Arzt aufgeregt, schüchtern oder ängstlich sind, hilft die Vorbereitung dabei, selbstsicherer aufzutreten und keine Fragen zu vergessen.
    Schildern Sie dem Arzt möglichst genau die Natur Ihrer Beschwerden.
  • Verschweigen Sie Ihrem Arzt keine intimen oder peinlichen Details zu Ihrem Leiden.
  • Fragen Sie während des Arztgesprächs nach, falls Sie eine Frage, das Untersuchungsergebnis oder Erläuterungen zur Behandlung nicht verstehen.
  • Machen Sie sich Notizen.
  • Reden Sie offen mit Ihrem Arzt. Äußern Sie Ihre Bedenken und Ängste zu Untersuchungen und Behandlungen.
  • Pochen Sie bei harmlosen Infekten nicht auf Antibiotika.
  • Verlassen Sie das Arztzimmer nicht, bis Ihnen der nächste Schritt klar ist: Wie läuft jetzt die Behandlung ab? Oder welchen Facharzt muss ich für weitere Untersuchungen aufsuchen?
Aufklärung und Information
Zögern Sie nicht, Ihre Rechte als Patient wahrzunehmen. Ihr Arzt muss Sie umfassend aufklären und informieren, was Diagnose und Behandlung betrifft.

Sie dürfen zudem Ihre Patientenakte jederzeit einsehen und Kopien anfertigen. Ihr Arzt ist verpflichtet, alle Sie betreffenden Befunde, Unterlagen und Dokumente darin zu sammeln und sorgfältig zu führen. Nachträgliche Änderungen in der Patientenakte muss er als solche kennzeichnen.

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